Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften, zumal Philosophie und Theologie, ist der Umstand, daß die naturwissenschaftlichen Theorien bezüglich Ihrer allgemeinen Gültigkeit einem zeitlichen Wandel unterliegen, der in der Regel durch einen Wissenszuwachs bestimmt wird. Naturwissenschaftliche Theorien altern sozusagen, zeigen in wissenschaftlichem Neuland plötzlich Widersprüche, werden abgelöst von neuen Ansätzen und umfassenderen Theorien und die aufgebrochenen Widersprüche werden dadurch im besten Falle eliminiert. Das diesem Prozedere übergeordnete wissenschaftliche Paradigma, nicht zuletzt die Forderung nach Falsifizierbarkeit von Theorien, um sie von reinen Spekulationen abzugrenzen, sind der Rahmen dieser Alterung und Wandlung in den Naturwissenschaften. In der Philosophie hingegen, zum Beispiel, können widersprüchliche Auffassungen nebeneinander bestehen. Der zeitliche Wandel von philosophischen Auffassungen und Interpretationen der Welt führen zu einem Zuwachs an Ideen, einer Vermehrung des Reichtums dieser Fakultät, führen aber nicht zu einem Ausschluss- oder Austauschverfahren, neu gegen alt. Eine Falsifizierbarkeit im Popperschen Sinne, als elementarer Teil seines kritischen Rationalismus, gibt es in der Philosophie so nicht.