Siddharta vernahm die Berichte über den nun Erwachten, den geliebten Freund und Bruder im Geiste, Govinda. Er, der Frau und Kind verließ, der sich der Suche nach Weisheit und dem edlen Weg hingab, der nun erwachte Samana, der wiederkehrte in seine Geburtsstadt, mit Gefolge, mit Jüngern, die es ihm gleich tun wollen, die seinen Lehren lauschten, die mit ihm, dem Lehrer des Erwachens, den edlen Weg der Askese und Abkehr von allem weltlichen beschreiten wollten.

Siddharta saß im Lotussitz unter dem Banyanenbaum, den sie beide gemeinsam so oft zur Versenkung aufsuchten, lange vor Sonnenaufgang und schloß seine Augen und erwartete das glückseelige Versinken in Atman. Aber Govindas Ankunft war zu bedeutsam und seine Seele verweigerte sich seinem Ansinnen, sich von allem zu entfernen und in Meditation aufzugehen. Denn Govinda, der Meister, der Erwachte, er würde vielleicht nun auch sein Lehrer werden, dem er dann folgen wollte.
Zwischen dem noblen* Hermann Hesse (1946) und seinem Freund Romain Rolland, ebenso nobilitiert*, allerdings bereits 1915, existierte eine Freundschaft, da sich beide um das Thema Frieden in Europa bemühten und sich als Literaten schätzten**. Hesse widmete den ersten Teil seiner Erzählung Siddharta seinem Freund Rolland, der wie er, eine Bewunderung für fernöstliche, zumal indische Weisheitslehren hegte (Ghandismus, Buddhismus). Wenn wir einmal eine substanziell anspruchslose Aussage wagen wollen, dann können wir feststellen, daß in China ein metaphysischer Überbau erst recht spät entstand, übernommen wurde, der Buddhismus, der Konfuzianismus und Laotses Tao te king nun als vorherrschende Philosophien ergänzte, die nicht als Erlösungs- und Heilslehren zu sehen sind, sondern die Vernunft, Stabilität und Glück des Einzelnen und der Gesellschaft in den Vordergrund stellten.
*Nobelpreise in Literatur ** Hesse / Rolland, Briefe, Verlag: Fretz und Wasmuth, Zürich, 1954